Beitrag
von Fuddler
Lieber rheinangler,
man merkt, dass du dir viele Gedanken machst, aber - wie viele andere hier schon in einzelnen Aspekten zu deinem Beitrag angesprochen haben - schlüssig sind viele deiner Schlussfolgerungen überhaupt nicht.
Nun, kann man aus dein Beitrag ableiten, dass du das Grundproblem nicht in Frage stellst!?
Dann kann man über Nuancen der Krisenbewältigung, wie Zeitpunkte, Dauer und tatsächliche Effekte verschiedener Massnahmen streiten. Vieles davon ist schlicht nicht gut messbar oder noch nicht bekannt, sondern maximal abschätzbar.
Du scheinst ganz allgemein davon auszugehen, dass es "ganz oder gar nicht" Effekte gibt:
Wenn nicht alle die Maske richtig tragen, dann bringt das eh nichts; wenn nicht fast jeder die APP installiert, dann ist das sinnlos; wenn es nie einen Impfstoff gibt, dann müssen wir jetzt nichts tun, usw.
Dies ist aber nicht korrekt. Jede einzelne verhinderte oder verzögerte Infektionskette bringt etwas, mindestens Zeit.
Ich bin selbst zwar Lebenswissenschaftler, aber dennoch kein Experte einer der in dieser Situation besonders wichtigen Disziplinen. Ich kann den Fachleuten in der Sache und Argumentation zwar folgen, aber habe nicht das Detailwissen um mögliche Widersprüche aufzudecken.
Zumal ja tatsächlich auch vieles einfach nicht abschließend untersucht und bewertet sein kann. Das ist schwer auszuhalten - egal ob es um die Oma geht, die deswegen stirbt, oder um den Job, den man verliert.
Es ist aber kein Argument, einfach zuzuwarten und zum Glück haben das die Deutschen Entscheider nicht getan. Sie haben Verantwortung übernommen auf die Gefahr hin, teilweise oder gar in Schlüsselpunkten daneben zu liegen. Es ist eben besser, zumindest etwas zu versuchen, als nichts zu tun.
In den Grundsätzen - wenn auch nicht den Details ihrer Einschätzungen - sind sich die überwältigenden Mehrheiten der Experten einig.
Wenn da einige aus der Ecke springen und stark abweichendes behaupten, dann ist das nicht sofort falsch.
Als Laie muss ich das aber eben nach dem Motto "Der Schwarm weiß viel" verarbeiten. Denn es ist eben meist doch so, dass abweichende Einzelmeinungen, die im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung der Experten stehen nicht zutreffend sind.
Dabei ist ausdrücklich kein Kriterium, was sich ein Laie (oder Millionen davon) besser vorstellen kann, oder was er im Gefühl hat.
Wer nicht die Vertrauenswürdigkeit unserer Experten und Politiker im Grundsatz bestreitet, der kommt damit zwangsläufig zu dem Schluss, dass die Strategie in Deutschland ganz OK war und ist.
Nicht perfekt natürlich und auch nicht in jeder Facette alternativlos, aber als Paket bislang besser als viele andere. Natürlich gehörte auch eine Portion Glück dazu, dass D wirklich gut abschneidet bisher - das Glück der Vergangenheit soll ja aber nicht zum Argument für die fünf graden Finger der Zukunft gereichen, oder?
Hinzu kommt, dass wesentliche Vorhersagen und Annahmen in Bezug auf die Pandemie ja mittlerweile tragischer Weise zahlreich bewahrheitet haben:
Insbesondere die USA, Brasilien, aber auch Schweden zeigen, wie es nicht geht.
Belgien zeigt, wie es läuft wenn man Pech hat und nicht flott handelt. Dort ist nicht nur die Wirtschaft kaputt, sondern viele, viele Menschen mehr tot und krank. Und es werden ja noch mehr.
Damit sind diese Länder quasi das Kontrollexperiment, mit dem die Wirksamkeit des deutschen Massnahmenpakets in seiner Gesamtheit untermauert wird.
Mir ist egal, ob der Anteil der Masken dabei 35,5 oder 70,21 % waren. Vielleicht können wir das nie genau sagen.
Zuletzt:
Die Coronapandemie hat in Bereichen Fortschritt gebracht, wo er überfällig war, und dies dient direkt auch der Gesundheitsvorsorge im Allgemeinen.
Krank zur Arbeit, ins Stadion oder zum Konzert zu gehen, ob mit Grippe oder Erkältung oder was anderem war schon vorher mindestens egoistisch, unsozial und potentiell gefährlich für andere. Trotzdem haben wir es alle gemacht. Jeden Tag ins Büro zu müssen erhöht nicht nur die Verbreitung von Corona, sondern auch jeglicher anderer Erreger. Jeder zusätzliche Kontakt tut das.
Wenn wir unser Verhalten in dieser Hinsicht dauerhaft andern, dann ist das ein Gewinn für alle.
Kaum zu beziffern sein wird freilich, wie viele Erkältungskrankheiten und Grippeinfektionen quasi im Vorbeigehen durch die Coronamassnahmen mitverhindert wurden.
Auch die Frage nach dem eventuellen zweiten Lockdown ist Quatsch. Ich weiß nicht, ob die Ressourcen dafür reichen, oder wie lange.
Es reicht zu festzustellen: Auch wenn ich vielleicht nur eine Kugel zu meiner Verteidigung habe, tue ich doch mein bestes um ihre Wirkung zu entfalten.
Ich würde sie nicht nicht verschießen mit dem Argument, dass ich ja keine weitere habe!